Tischtennis – Geschichte: Urgestein Reinhard Desens

„Sport ist meine Leidenschaft und hat mich bis ins hohe Alter jung gehalten.“, sagt der mittlerweile 80-jährige Reinhard Desens vom HSC BW Tündern/SC Börry (SG), der schon immer ein Faible für die Jugend hatte. Noch heute trainiert der rüstige Senior mit viel Fingerspitzengefühl und Erfahrung die Nachwuchsriege in Börry.

„Damit sollte ich wohl der älteste noch aktive Coach im Kreisverband sein“, erklärt Desens mit Stolz, der nach der Vertreibung aus Schlesien 1946 nach Tündern auf einen Bauernhof kam.

Spitzname „assa“ bis heute geblieben

Sein Spitzname „assa“ datiert aus dieser frühen Kindheit zurück. „Meine Mutter rief immer auf schlesisch aus dem Fenster, Reinhard assa kumma, wenn das Essen fertig war. Beide Worte waren zu lang und so blieb „assa“, erklärt Desens. Die sportlich erfolgreiche Karriere fing 1948 mit Turnen und Leichtathletik an.

„Es gab ja nichts anderes, alle Kinder waren dabei“.Von 1955 bis 1960 kam noch Fußball hinzu. „Ich fuhr auch gern Ski“ berichtet der gelernte Teppichweber, der zudem eine Ausbildung bei der Polizei machte. Später zum Landkreis Hameln-Pyrmont ins Sozial-, und danach ins Bauamt wechselte.

Jugendstreich bringt Reinhard Desens zum Tischtennis

Ein Jugendstreich ebnete den Weg zum Tischtennis und löste großes Engagement aus.

„In der Sporthalle in Tündern war ein Fenster offen, durch das wir Jungs einstiegen. Dort stand ein Tisch“, erinnert sich der damals 13-jährige. Die Kids und auch einige Erwachsene waren gleich mit Feuereifer dabei und 1954 wurde Desens Mitbegründer der Tischtennisabteilung, beim TSV Schwalbe Tündern.

„Ich musste gleich in der ersten Männermanschaft antreten, da wir dort nur vier Spieler waren. Aber auch Jugendteams waren schon am Start, die ich schwerpunktmäßig trainierte“, sagt der langjährige Abteilungsleiter, Sportwart und auch 2. Vorsitzender des Hauptvereins.

Erst 1977 kam es auf, dass Trainer-Ausbildungsscheine gefordert wurden. „Ich konnte belegen, dass ich bereits über 20 Jahre aktiv war und erhielt nach einem Kurzlehrgang den Trainer-C-Schein. 1982 kam dann der B-Schein hinzu“, so Desens. In dieser Phase buchte der, aktuell noch in der Kreisliga spielende, Routinier Privatstunden bei Bodo Haake, der seinerzeit in der 2. Bundesliga bei der SV Ahlem antrat und Lehrwart im TTVN war. „Ich war ehrgeizig, wollte selbst noch dazulernen“, ergänzt Desens.

Goldene Zeiten der Jugend in Tündern

Parallel begann eine unbeschreibliche Jugend-Ära in Tündern, goldene Jahre, wie Desens sie selbst bezeichnet. Nach mehreren Staffelmeisterschaften folgten die Bezirksmannschafts- und Landesmeisterschaft. „Der Gipfel war die überraschende norddeutsche Mannschaftsmeisterschaft in Hamburg, gegen mega starke Konkurrenz. Das war der höchste Titel überhaupt, denn eine Deutsche Mannschaftsmeisterschaft gab es noch nicht“, blickt Desens zurück.

Dank des Engagements von Desens konnten die Jugendlichen immer wieder bei den Erwachsenen integriert werden, um einen Wechsel, unter anderem zu Preußen Hameln zu verhindern. Auch Turniere standen hoch im Kurs, woraus sich der Neuzugang von Christoph Schlemeier entwickelte.

Mit seinem Spielstil und unglaublichen Emotionen am Tisch, war er ein Unikum und riss jeden Spieler, aber auch Fan mit. „Ein echter Glücksgriff in jeglicher Beziehung. Christoph war die Seele der Mannschaft und machte sich absolut verdienst für den Verein“, betont Desens.

Familie Ovtcharov schließt sich den Schwalbe an

Der nächste Schachzug sollte weit über die Tore von Tündern hinausschallen, denn Desens zog die Familie Tatjana und Mikhail Ovtcharov an Land, die im Schloss Hasperde, aus der Ukraine als Kontigent-Flüchtlinge angekommen waren.

„Ich setzte mich ins Auto und fuhr hin. Es waren mehrere Vereine am Ball, aber letztendlich fiel die Entscheidung zu Gunsten von Tündern“, sagt Desens. Sohn Dimitrij Ovtcharov gehörte in den ersten Jahren zu seinen Schützlingen. Ovtcharov führte den TSV Schwalbe Tündern, als Ausnahmetalent, schließlich bis in die 1. Bundeliga der Männer und gewann 2012 die Bronzemedaille im Einzel bei den Olympischen Spielen in London.

Reinhard Desens ist an spektakulären Events beteiligt

Ein weiteres Highlight war 1994 und 1995, unter Leitung von Desens, die Organisation des European Masters in der Rattenfängerhalle in Hameln, mit mehr als 50 Helfern.
„Das war die Top-Veranstaltung schlechthin. Wir konnten diverse weltklasse Koryphäen begrüßen, wie Jörg Roßkopf, Steffen Fetzner, die Schweden Jan-Ove Waldner und Jörg Persson und den Weißrussen Vladimir Samsonov“, gerät Desens immer noch ins Schwärmen.

1997 kam es zum Bruch nach Unstimmigkeiten in der Sparte, dem sich ein Wechsel zum SC Börry anschloss. Natürlich gehört das Jugendtraining, um die erfolgreichen Talente Jaantja Böhning und Thamo Wittler, von Anfang an zum festen Aufgabengebiet. Der kleine Verein verfügt immerhin über vier Jungen U18-Teams.

„Sport hat mein Leben bestimmt und bestimmt es noch immer“, so Desens, der auch noch in einer Schwimmgruppe aktiv ist, aber auch gern mit einem Freund Reisen unternimmt.

Bericht: Martina Emmert aus dem Tischtennismagazin 04 / 2020
Foto: Nils Propfen / DeWeZet